Ich spring dann mal

Tokio, 6.-8. Feb.
Osaka, 9. Feb.-1. Mar.
Kumamoto, 2.-23. Mar.
Hiroshima, 24. Mar.-7. Apr.
Nagoya, 8.-11. Apr.
Tokio, 12. Apr.-1. May

Nachdem meine Erkältung abgeklungen war, drohte mein Urlaub ein wenig an Fahrt zu verlieren. Doch als ich noch in Kumamoto von meinem Trip zum Aso-Vulkan schwärmte, buchte ich voller Tatendrang dieses kleine, geile Erlebnis…

Es mag wie Schicksal erscheinen, dass sich meine Erkältung rechtzeitig für meine Ankunft in Nagoya aus dem Staub gemacht hat. Ein bisschen gereizt mögen meine Atemwege noch gewesen sein, aber Fit war ich nun allemal, um in der benachbarten Präfektur Gifu von der höchsten Talbrücke Japans zu springen.

Mit dem Zug bis zur Akechi Station zwischen Mitake und Kani musste ich von hier auf den YAO-Bus umsteigen, welcher mich bis zum Yaotsu Family Center brachte. Von hier aus hieß es 6,5 Kilometer der Japan National Route 418 zu Fuß folgen. Mit etwas Zeitdruck im Nacken, weil der Berufsverkehr in Nagoya mich reichlich aufgehalten hat, machte ich mich mit strammen Schritten auf den Weg, da Google Maps 1¾ Stunden für den Weg berechnete und ich damit 5 Minuten nach meiner gebuchten Sprungzeit ankommen würde.

Anstatt mir auf dem Weg viele Gedanken über den Sprung in die 215 Meter tiefe Schlucht zu machen, war ich etwas unruhig, weil ich zu spät anzukommen drohte. In der Zeit machte ich dennoch ein paar Clips mit Abschiedsworten für meinen WhatsApp-Status.

Gute 68km Wegstrecke sollte ich zur Shintabisoko Brücke zurücklegen.

Zwischen Parkplatz und Brücke ging es noch durch einen Tunnel. An dieser Stelle habe ich Google Lügen gestraft und bin sogar noch 40 Minuten zu früh angekommen, was mir noch einmal etwas Zeit für Gedankenspiele und Schnappschüsse gegeben hat.

„The highest bridge bungy jump in Japan! Shintabisoko bashi is the largest bridge in Japan with a total length of 462 meters and is a V-shaped mountain and a bridge over the mountain in Tabisoko gawa Valley. In the majestic nature, a big thrilling jump towards the journey foot river flowing far below your eyes! Jumpers wear a wing suit and a GoPro.“

Bungy Japan

Der Spot ist mit 215 Metern der fünfthöchste kommerzielle Bungee Jump weltweit (Stand: April 2024). Die Umgebung besteht aus den Bergen, ihrer Natur und der Brücke, es hat sich mir wirklich einer der schönsten Anblicke von oben geboten.

15 Minuten vor der anberaumten Sprungzeit wurden mir auf Englisch die Basics zum Bungee Jumping erklärt, die¥28,000 Antrittsgebühr abgenommen und der Wing Suit angelegt. In meinem Zeitslot sprang Aki, eine Japanerin aus dem Süden der Präfektur Aichi mit, die den Vortritt erhielt. Ich konnte beobachten wie unaufgeregt und professionell die Leute von Bungee Japan auf der Plattform agierten. Dabei sollte mir aber nicht entgangen sein, dass der Wind allmählich etwas auffrischte. Nachdem Aki-san sichtlich wortkarg wieder nach oben gezogen wurde, war es nun an der Zeit wirklich bammel zu kriegen.

Auf der Plattform stand ich nun, eine Zehenlänge über dem Rand, während unter mir Bäume und ein Bach so klein wirkten, als würde ich aus einem Flugzeug blicken. Ich Trottel, mir wurde doch eine Minute zuvor noch gesagt, ich soll meinen Blick nach vorne richten. So tat ich das nun und presste voller Angst die Luft durch meine Lungen. Kurz noch warten, bis der Wind abflacht, ich wurde nun auch wieder etwas ruhiger. „Here we go, five, four, three…“ ich denke an erschreckend wenig in diesem Moment „…two…“ wider meiner Natur bringe ich meinen Schwerpunkt über den Rand der Plattform „…one…“ ich sehe wieder nach unten und fühle gar nichts mehr „…Bungee!“ ich fühle nun die Beschleunigung, aus einem Reflex heraus fange ich an zu schreien. Die Arme weit auseinandergestreckt merke ich nach den ersten 20 Metern, wie der Wing Suit mich stabil hält, meine Beine steckte ich nun auch auseinander. Schwebe ich!? Die Augen weit aufgerissen sehe ich die Bäume auf mich zukommen, so langsam, dass ich denken könnte, dass mich das Bungee-Seil bereits einmal hochkatapultiert hätte. Ich blicke zur Brücke und wollte eigentlich gerade einen erleichterten Jubelschrei absetzen, als ich mich mit voller Körperlänge in den Baumkronen wähnte. Das hat ordentlich gegen den Helm gescheppert und ein Ast hat mich am Hals und an der rechten Hand erwischt. Ein kurzer Schreckmoment, bei der die GoPro an meinem linken Armrücken in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vollgepumpt mit Adrenalin hang ich nun am Seil, bis es sich ausgependelt hat. Ein Zug an der roten Lasche zu meinen Füßen brachte mich in Sitzposition. Ein Moment der Ruhe kehrt ein, die Aussicht, der Wind, eine sagenhafte Stille umgibt mich und mir wird ganz warm. Es fühlte sich gut an hier zu hängen und sich wieder gemächlich der Brücke zu nähern.

Hochkantversion des Videos für Smartphones

„I hit a tree“ sagte ich zunächst, gefolgt von einem „Oooah, oh mein Gott!“ als mich die Leute einsammelten. Nachdem ich bejaht hatte, dass ich okay bin, wurde mir auch prompt versichert, dass sich noch keiner in den Bäumen wiederfand. Im Video von der Plattform, kann man zumindest erkennen, wie weit ich nach links abgedriftet bin. Auf dem Rückweg von der Plattform zur Rezeption kam ich ein wenig mit Aki-san ins Gespräch.

Eine Hautabschürfung am rechten Mittelfinger und am Hals waren nicht besonders tragisch, jedoch habe ich eine Erklärung darüber unterschreiben müssen, dass ich die Verletzungen nicht behandeln lassen will. Während wir auf unsere Urkunden und das aufgezeichnete Bildmaterial warteten, lies auch langsam der Adrenalinspiegel nach, sodass mir nun erst auffiel, dass ich mir eine Prellung am rechten Arm zugezogen hatte. So bot mir Aki-san an, mich bis zur Tajimi Bahnstation mit ihrem Auto mitzunehmen, von wo ich eine direkte Verbindung nach Nagoya kriegen sollte. Ansonsten wäre ich den Weg, den ich gekommen war wieder zurück gelaufen und bis zum Hotel wäre es damit Spätabends geworden. Es war superlieb von ihr und bedankte mich in aller Höflichkeit auf Japanisch mit einem „Hontoni arigato gozaimasu“.

Noch in Deutschland war ich ein ziemlicher Schisser, was Höhen anbelangte. Mit dem langen Flug, den Bergen Japans und den Hochhäusern, gewöhnte ich mich wohl an den Anblick und das Gefühl. Dass ich mich den Sprung aus gleich 215 Metern gewagt habe, ist ein Extrem, welches auf dieser Reise bestimmt als meine krasseste Erfahrung in Erinnerung bleiben wird.


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